Bundestagswahl 2025: GKV stellt Agenda für Wachstum vor

Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. (GKV)

Eine Wachstumsagenda für Deutschland

Positionen des Gesamtverbandes Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. (GKV)
zur Bundestagswahl 2025

Deutschland braucht eine neue Wachstumsagenda
Die sich immer weiter beschleunigende Deindustrialisierung im Mittelstand hat strukturelle Gründe. Neben kurzfristig zu ergreifenden Maßnahmen muss die neue Bundesregierung auch unzureichende Rahmenbedingungen verändern, sonst wird sich die Abwanderung des industriellen Mittelstandes nicht aufhalten lassen. Die Transformationen mit den Zielen Treibhausgasneutralität und Kreislaufwirtschaft erfordern hohe Investitionen von den Unternehmen, die nur dann getätigt werden, wenn die Unternehmen eine langfristige Perspektive für sich am Standort Deutschland sehen. Planbarkeit und Verlässlichkeit müssen wieder die Maximen der Wirtschaftspolitik werden; aber es braucht auch Mut und Entschlossenheit, um alte (Bürokratie-)Zöpfe abzuschneiden und gemeinsam mit Wirtschaft und Industrie den Standort nachhaltig zu stärken. Deutschland braucht deshalb eine neue Wachstumsagenda, die mindestens folgende Lösungsvorschläge aufgreift:

1) Energie und Klima
Die Kunststoff verarbeitende Industrie ist stromintensiv und steht im internationalen Wettbewerb. Die Kosten der Unternehmen für elektrische Energie am Standort Deutschland sind seit mehreren Jahren nicht mehr wettbewerbsfähig.

– Der Netzausbau zur Integration Erneuerbarer Energien und auch das Vorhalten von zusätzlicher
Kraftwerksleistung dürfen den Strom für industrielle Abnehmer nicht noch weiter verteuern.
Umlagen zu Lasten der Stromabnehmer waren bereits in der Vergangenheit ein extrem teurer
Irrweg. Der energieintensive Mittelstand braucht eine auf mehrere Jahre ausgelegte
Strompreisdeckelung in Form eines Produktionsstrompreises (All-in).
– Von nationalen Klimazielen, die über den in der Europäischen Union abgestimmten Klimapfad hinausgehen, ist Abstand zu nehmen.
– Deutschland muss offen sein für sämtliche Formen nachhaltiger Energieversorgung. Um dauerhaft international wettbewerbsfähig Energie erzeugen und nutzen zu können, muss die Energieforschung in alle Richtungen vorangetrieben werden.
– Beschleunigte Verfahren und einfachere Regeln für die Inbetriebnahme von Grünstrom-Anlagen auf Unternehmens-Grundstücken könnten die nachhaltige Transformation des Mittelstandes
zudem deutlich vorantreiben.

2) Arbeits- und Fachkräfte
Weite Teile der mittelständischen Industrie in Deutschland verzeichnen seit Jahren einen erheblichen Mangel insbesondere an technischen Fachkräften. Spätestens seit den Corona-Jahren ist aus dem Mangel an Fachkräften ein Mangel an Arbeitskräften geworden. Aktuell bewirkt zwar die Wirtschaftskrise den Abbau von Arbeitsplätzen in einzelnen Branchen, zusätzliche Fachkräfte werden aber nach wie vor benötigt, damit trotz der demografischen Entwicklung wieder Wachstum möglich ist.

– Die Zuwanderung nach Deutschland muss künftig stärker an der Nachfrage nach Fachkräften ausgerichtet werden.
– Die Lohnnebenkosten dürfen nicht weiter steigen.
– Es ist von immenser Bedeutung, dass gute Rahmenbedingungen konsequent mit einer Digitalisierungsstrategie für den Mittelstand verbunden werden. Digitale Technologien und Künstliche Intelligenz, eng vernetzt mit bereits vorhandenen und künftig möglichen Automatisierungsschritten, ermöglichen es der mittelständischen Industrie, mit deutlich weniger Arbeits- und Fachkräften auszukommen.
– Die Ausbildungsfähigkeit junger Menschen am Ende ihrer Schullaufbahn muss das klare und gemeinsame Ziel von Politik und Gesellschaft sein. Technische Berufe sind zudem häufig Motor der Integration, hier sollten mittelständische Unternehmen der Kunststoffverarbeitung mehr Unterstützung und Anerkennung für ihre Ausbildungsleistung erfahren, etwa durch einen Pakt der Ausbildung.
– Die Integration von zuwanderungswilligen Arbeitskräften in den Arbeitsmarkt und die Anerkennung im Ausland erworbener beruflicher Qualifikation muss vereinfacht und beschleunigt werden.

3) Kreislaufwirtschaft
Die Kunststoffindustrie in Deutschland unternimmt enorme Anstrengungen zur Transformation des Industriezweigs zu einer zirkulären Wirtschaft. Die aktuelle Wirtschaftskrise droht diese wichtige Transformation auszubremsen.

– Anreize für besser recyclingfähige Verpackungen dulden keinen weiteren Aufschub. Deshalb muss die Reform des § 21 Verpackungsgesetz zu Beginn der Legislaturperiode beschlossen werden. Die Regelung sollte einen privatrechtlichen Fonds in der Zuständigkeit der Zentrale Stelle Verpackungsregister schaffen und für die Unternehmen mit minimalem Aufwand zu erfüllen sein. Eine Einbindung des Umweltbundesamtes ist unter allen Umständen zu vermeiden, um finanzverfassungsrechtliche Probleme (Stichwort Sonderabgabe) und die Anwendung des EUBeihilferechts zu vermeiden.
– Die Umsetzung der EU-Verpackungsverordnung erfordert gleich zu Beginn der Legislaturperiode eine Entscheidung darüber, wie Hersteller von nichtsystembeteiligungspflichtigen Verpackungen (z.B. industriellen Transport-und Gefahrgutverpackungen, Mehrwegverpackungen) ihrer Herstellerverantwortung gerecht werden können.
– Die Zuständigkeit des Umweltbundesamtes für die Verwaltung des Einwegkunststofffonds hat sich nicht bewährt. Sofern das Bundesverfassungsgericht das EWKFondsG als verfassungswidrig einstuft, sollte im Rahmen der Neureglung die Umsetzung privatwirtschaftlich, wie in anderen EUMitgliedstaaten, und unter Einbindung der Zentrale Stelle Verpackungsregister erfolgen.
– Der Anteil der Kunststoffabfälle, die zu hochwertigen Rezyklaten verarbeitet werden, ist nach wie vor zu gering. Um dieses Ressourcenpotential besser zu nutzen, müssen insbesondere Kunststoffabfälle im Haushaltsrestmüll und in den Gewerbeabfällen besser sortiert und zu größeren Mengen einem hochwertigen Recycling zugeführt werden. Die Bundesregierung muss hierfür die Initiative ergreifen.
– Die Bundesregierung setzt sich auf europäischer Ebene dafür ein, dass ein funktionierender Markt für Kunststoffrezyklate geschaffen wird, in dem fossile Kunststoff-Neuware durch Rezyklate und nicht-fossile Kunststoffe schrittweise substituiert werden. Zu diesem Zweck setzt sich die Bundesregierung insbesondere für die Einführung polymerspezifischer Substitutionsquoten und einen Zertifikatehandel für Kunststoffrezyklate ein.
– Gleichzeitig setzt sich die Bundesregierung in Brüssel dafür ein, dass der Import von recycelten Kunststoffen aus Drittstaaten entsprechend den Regeln des internationalen Handelsrechts möglich bleibt.
– Moderne Mehrweglösungen fördern die Ressourcenschonung und reduzieren Treibhausgase. Kunststoffe bieten hier vielfältige Lösungen, die durch politische Instrumente wie einen stärkeren Fokus auf Ressourceneffizienz in der öffentlichen Beschaffung flankiert werden könnten.

4) Bürokratie und Europa
Die Flut an immer neuen und immer detaillierteren Rechtsvorschriften und Meldepflichten ist für die große Mehrheit der mittelständischen Unternehmen kaum mehr zu bewältigen und verunsichert die Unternehmen zusehends. Zusätzliche Berichts- und Nachweispflichten entstehen für die Unternehmen aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, dem Energieeffizienzgesetz, dem Einwegkunststofffondsgesetz, der Taxonomie, der CSRD und vielen anderen Vorschriften mehr. Immer mehr Bürokratie schafft nicht mehr Innovationen, sondern sie gefährdet die Existenz von Unternehmen. Mittelständische Unternehmen sind zudem nicht mehr zuverlässig in der Lage, die aufwändigen Antragsverfahren für Kostenerstattungen von Energieabgaben und die damit in Zusammenhang stehenden zusätzlichen Nachweispflichten zu bewältigen. Anträge nach EnFG, StromStG u.ä. sind symptomatisch für Überregulierung und fehlende Verlässlichkeit.

– Deutschland hat in vielen Fällen EU-Vorgaben im Umwelt-, Klima- und Energiebereich in der nationalen Umsetzung zusätzlich verschärft. Prominentes Beispiel hierfür ist das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Mit diesem „Gold-Plating“ muss jetzt Schluss sein. Einheitliche Bedingungen bei der Umsetzung von EU-Recht sind für die Sicherung gleicher Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt erforderlich.
– Die kaum mehr nachvollziehbare Flut an Detailvorschriften des deutschen Energie- und Klimaschutzrechts lähmt die Transformation. Der Regelungsgehalt des Energie- und Klimaschutzrechts ist auf das nach europäischem Recht erforderliche Mindestniveau zu begrenzen.
– Das auch von Deutschland initiierte Beschränkungsdossier zur PFAS-Stoffgruppe muss unverzüglich zurückgenommen werden. Die einzelnen Gruppen der PFAS sollen differenziert und risikobasiert bewertet werden. Mit undifferenzierten und unangemessenen Beschränkungen von Fluorpolymeren, die zur PFAS-Gruppe zählen, würde sich die Abhängigkeit Europas bei Hochleistungs-Kunststoffen erhöhen, während die Ziele des Green Deal kaum erreichbar wären.
– Die neue Bundesregierung muss sich gegenüber der Europäischen Kommission dafür einsetzen,
dass mindestens die Hälfte aller Vorschriften innerhalb der neuen Amtsperiode der Kommission
abgeschafft wird. Neue Gesetze, Richtlinien, Verordnungen bzw. delegierte Rechtsakte der Europäischen Union und des Bundes sollen künftig im Regelfall nur noch fünf Jahre gültig sein.
– Dazu kommt, dass durch Mängel beim Vollzug oftmals kein Level-Playing-Field zwischen
deutschen/europäischen Herstellern und außereuropäischen herrscht. Viele Produkte, die den
EU-Markt erreichen, entsprechen nicht den strengen Umwelt-, Klimaschutz- und Sicherheitsbestimmungen, die sich die Europäische Union selbst auferlegt – und die wiederum von den europäischen Anbietern erfüllt werden. Hier braucht es dringend eine Verbesserung bei den Kontrollen an den Zollaußengrenzen, da sonst hiesige Produzenten durch ein Mehr an Auflagen und die damit verbundenen höheren Kosten dauerhaft benachteiligt sind.

5) Haushalt und Finanzen
– Trotz der Wirtschaftskrise sind die Steuereinnahmen des Bundes weiter auf Rekordniveau. Der Bund setzt bei den Ausgaben die falschen Prioritäten.
– Es ist nicht sinnvoll, dass Verbraucher über eine neue zusätzliche Plastiksteuer für einen Teil des Mitgliedsbeitrags der Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Union zur Kasse gebeten werden sollen. Mit dem Griff in die Taschen der Verbraucher wird weder für die Wirtschaft noch für die Umwelt irgendetwas besser. Die neue Bundesregierung muss auf Pläne für eine unsinnige, unsoziale und schädliche Plastiksteuer verzichten.
– Der Solidaritätszuschlag wird auch für Unternehmen unverzüglich abgeschafft.
– Um die entstandene Zurückhaltung bei privaten Investitionen mittelständischer Unternehmen aufzulösen, wird die Förderung des Bundes zur Implementierung digitaler Technologien und umweltfreundlicher Prozesse mittelstandstauglich ausgerichtet.
– Wir fordern eine Neuauflage der Förderung des Bundes für klimafreundliche und innovative Leichtbau-Technologien.

Berlin, im November 2024

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